Unsicher sah Aly kurz zu Ethan hoch, der neben ihr stand, doch sofort, als sie merkte, dass er sie ansah, wandte sie wieder ihren Blick ab, und sah auf die Decke, die auf dem Bett lag.
<JETZT denkt er, ich bin ein Psycho!>, dachte sie und ihr traten wieder die Tränen in die Augen. <Wie konnte ich vorhin mit Dan nur so kalt darüber reden?>, fragte sie sich, und hörte nur nebenbei, wie Pompfrey etwas murmelte, von wegen "kurz allein lassen, besprechen"
**Egal was noch kommt** **Egal was Du sagst** **Auch wenn Du jetzt schweigst** **Ich weiß ich habe versagt**
Nachdem Madam Pomfrey in ihre Büro verschwunden war sah Ethan Aly noch immer geschockt an. "Deswegen der Dolch? Deswegen wolltest du ihn unbedingt wieder haben, als ich ihn dir abgenommen hatte, oder?", fragte er irgendwann und hörte sich ungewollt streng an.
Statt der normalen Schranke, die sich in solchen Momenten in Aly vorschob, und sie abweisend werden ließ, traf sie es diesmal mitten in ihr drin.
Einen Moment lang, versuchte sie sich, durch flapsigkeit zu retten, und murmelte: "Gott sei dank, du siehst sie auch? Ich dachte schon, ich bilde mir das nur ein!" Aber dann konnte sie nicht mehr anders.
"Als du ihn mir abgenommen hast, war es wirklich nur, weil ich ihn gewohnt bin, in meiner Tasche zu haben. Aber ja, deswegen nehm ich ihn überall mir hin, auch wenn es anfangs wirklich nur wegen dem emotionalen Wert war.", flüsterte sie, und fühlte sich schuldig, obwohl sie nicht wusste, wieso.
**Egal was noch kommt** **Egal was Du sagst** **Auch wenn Du jetzt schweigst** **Ich weiß ich habe versagt**
"Aber Aly... Weiß es jemand?", fragte Ethan und zog sich einen Stuhl ran um sich neben das Bett zu setzten, "Ich meine außer Madame Pomfrey und mir." Er sah sie an und fühlte wieder einen Kloß im Hals. "Warum Aly? Warum machst du sowas?", fragte er leise.
"Dan hat es vorhin erraten. Und Dray hat es gestern gesehen, als ich es gemacht habe.", flüsterte sie, und ihre Tränen rannen warm über ihre Wangen und tropften auf die Bettdecke. Sie warf ihm wieder nur einen kurzen Blick zu, ehe sie wieder auf die Decke blickte. Sie konnte es nicht ertragen ihn anzusehen.
"Und warum, fragst du? Na, wieso wohl?", meinte sie, und eine Bitterkeit schwang in ihrer Stimme mit.
**Egal was noch kommt** **Egal was Du sagst** **Auch wenn Du jetzt schweigst** **Ich weiß ich habe versagt**
Aly zuckte innerlich kurz zusammen, als er ihre Hand nahm, aber dachte sich dann einfach nur:<Was solls?> Ihre kalte Hand lag in seiner warmen, und sie war froh, dass er ihre Hand jetzt wärmte.
"Wegen allem. Wegen meinem Leben. Aber ja, auch wegen meiner Familie.", sagte sie leise, und schluckte schwer, um sich danch über die Lippen zu lecken.
"Weil... Ich..." Sie brach ab, und konnte einfach nicht mehr aussprechen, was sie hatte sagen wollen. <Weil mich eh keiner haben will>, schoss ihr Justins Satz, von vor scheinbaren Ewigkeiten, durch den Kopf.
**Egal was noch kommt** **Egal was Du sagst** **Auch wenn Du jetzt schweigst** **Ich weiß ich habe versagt**
Ethan sah auf den Boden und dann wieder zu Aly. "Aber warum Aly? Warum gerade sowas? Wie kann ein Leben so schrecklich sein, dass man sowas machen muss?", fragte er mit besorgter und zugleich seltsam strenger Stimme.
"Was wolltest du noch sagen?", fragte er nach, "Irgendetwas wolltest du doch noch sagen." Er legte seinen Kopf leicht schief, wie immer wenn er etwas unbegint wissen wollte.
"Ich habe eine Zeit lang viel heftiger, öfter, und vor allem tiefer geschnitten, Ethan. Inzwischen bin ich über den Punkt hinaus, an dem ich bemerkt habe, dass das nicht so wichtig ist. Aber es ist wie eine Sucht, und ein Ventil. Ich verletze mein Äußeres, um in Wahrheit mein Inneres zu töten. Denn du hast keine Macht darüber, ob andere dich verletzen, aber du hast Macht darüber, ob du dich selbst verletzt. Es ist...", sie seufzte verzweifelt. Nie würde ein nicht-SvVler einen SvVler verstehen können. "Ich habe in meinem ganzen Leben oft genug mitbekommen, dass ich nichts Wert bin, und irgendwie sammelt sich in meinem Inneren immer ein Druck. Und den kann ich nur ablassen, wenn ich mich schneide. Frag mich nicht wieso." Ihre Stimme war neutral geworden, als sie ihm dies erzählte. ------- SvV= Selbstverletzendes Verhalten
**Egal was noch kommt** **Egal was Du sagst** **Auch wenn Du jetzt schweigst** **Ich weiß ich habe versagt**
"Laber keine Scheiße Aly. Du sollst nichts Wert sein? Woher hast du die Kacke?!", brauste Ethan auf. Er hasste Menschen, die glaubten sie selbst wären ein Nichts und nichts wert. Er war zwar oft genug der selber Meinung was sich selbst anging, aber er konnte es nicht haben wenn andere Menschen so etwas sagten. "Du bist sehr viel Wert. Jeder Mensch ist etwas Wert, weil alle Menschen kleine Wunder sind", fuhr er die Slytherin an und ließ ihre Hand wieder los.
<Wer hat ihr so nen Scheiß eingeredet?>, fragte er sich und wurde wütend auf diese Person.
Aly ballte ihre Hand, die er bis eben warm gehalten hatte, zur Faust, und sah schweigend auf ihre Knie. <Meine Eltern, meine Schwester.... und du gestern. Indirekt>, hätte sie am liebsten rausgeschrieen, biss sich stattdessen wieder auf die Zunge, bis sie Blut schmeckte.
**Egal was noch kommt** **Egal was Du sagst** **Auch wenn Du jetzt schweigst** **Ich weiß ich habe versagt**
Ethan sah Aly abwartend an und verschrenkte die Arme vor der Brust. Den Spruch auf seinem T-Shirt verdeckte er damit ganz.
"Jetzt hast du nichts mehr zu sagen, oder was?", sagte er prvokant. Dann fasste er sich wieder und sah sie besorgt an. "Hör damit auf Aly. Irgendwann geht ein Schnitt ausversehen zu tief und dann ist es aus. Dann gibt es kein zurück mehr. Noch kannst du aufhören und einen anderen Weg einschlagen", redete er auf sie ein.
"Ich habe shcon so viele Narben, die ich nie wieder loswerden. Wo ist da der Unterschied zu ein paar mehr, oder weniger? Im Vergleich zum tiefen, dunklen, inneren Schmerz der Trauer, der Zerrissenheit, der Angst, welche sich im Bauch, in den Eingeweiden, im Hals und im Herzen ausbreitet, ist der umschriebene Schmerz eines Schnittes in der Haut eine Erleichterung.", zitierte sie schließlich wieder, und dachte gleichzeitig an die zwei Gedichte, die sie darüber geschrieben hatte. "Und außerdem, wusstest du das man wenn man in extase gerät nur noch 36% des Schmerzes empfindet? Also hier ist der Beweis sag ich dir...", sagte sie, und lächelte.
**Egal was noch kommt** **Egal was Du sagst** **Auch wenn Du jetzt schweigst** **Ich weiß ich habe versagt**
Ethan schüttelte den Kopf. "Du bist doch Krank", murmelte er ohne es zu wollen. Er sah Aly direkt in die Augen. "Ich habe auch genug innerliche Narben und Wunden und ritze mich nicht", sagte er ernst und hob eine Augenbraue an.
Bei seinen Worten verschloss sich etwas in ihr. 'Du bist doch krank', wiederholte sie, wie eine Schallplatte mit Sprung immer wieder.
<Ich weiß.>, antwortete sie in Gedanken, und stand vom Bett auf, um zum Fenster zu gehen.
<Ich hätte ihm nicht so viel sagen dürfen. Ich hätte wissen müssen, dass er es nicht versteht.>, dachte sie, und verschränkte die Arme, während sie aus dem Fenster sah. Ihre Hose verdeckte nun endlich wieder ihren Knöchel.
**Egal was noch kommt** **Egal was Du sagst** **Auch wenn Du jetzt schweigst** **Ich weiß ich habe versagt**